Seitdem bekannt wurde, dass Russland die Weltmeisterschaft 2018 austragen darf, gibt es immer wieder Kritik an dieser Entscheidung. Nicht zuletzt wegen der gewalttätigen Vorfälle bei der EM 2016 in Marseille und der Dokumentation Russia’s Hooligan Army wächst die Sorge vor den militärisch organisierten Hooligan-Gruppen. Als Antwort auf diese Reportage gibt es eine Reaktion von unbekannten russischen Filmemacher_innen, die ihre Sicht auf die nahende WM in ihrem Heimatland darlegen. Im Rahmen einer Gesprächsrunde mit Journalist_innen wollen wir über die Weltmeisterschaft 2018 und einen möglichen Umgang aus Fansicht sprechen.
Dokumentarfilm / GB 2002 / 88:00 min / OmeU / Daniel Gordon
Hierzulande erinnert man sich an die Fußball-WM 1966 vor allem wegen des umstrittenen Wembley-Tors. Ebenso interessant und gesellschaftspolitisch relevant waren jedoch die Teilnahme und das Auftreten der nordkoreanischen Fußballnationalmannschaft, die damals als krasser Außenseiter in Zeiten des Kalten Krieges sensationell das Viertelfinale erreichte. Doch nach dem Ende der Spiele hat man nie mehr etwas von diesem Team gehört. Nach vier Jahren Verhandlung bekam ein Filmteam aus dem Westen erstmals eine offizielle Einreiseerlaubnis für Nordkorea. Dieses Erstlingswerk arbeitet mit Archivbildern der Weltmeisterschaft und den Erinnerungen der heute bereits ergrauten Spieler. „Sozialistisch und konfuzianistisch” geprägt, teilen die Spieler neben der Leidenschaft für Ballspiel und Volksmusik eine auffällige und fanatische Liebe zu ihrem diktatorisch geführtem Land und dem „Großen Führer” Kim Il Sung.
Dokumentarfilm / D 2004 / 45:00 min / OV / Heribert Schwan
Nach einem Freundschaftsspiel des BFC Dynamo Berlin beim 1. FC Kaiserslautern am 20. März 1979 kehrt Lutz Eigendorf nicht mehr in die DDR zurück. Der sechsfache DDR-Nationalspieler nutzt einen Stadtbummel in Gießen zur Flucht und bittet anschließend um politisches Asyl. Doch das Ministerium für Staatssicherheit lässt Eigendorf nicht in Ruhe und heftet sich an seine Fersen. Nach Eigendorfs Wechsel zu Eintracht Braunschweig verunglückt der 26-Jährige am 5. März 1983 tödlich. Als Unfallursache werden überhöhte Geschwindigkeit und 2,2 Promille Alkohol im Blut angegeben. Der akribisch recherchierte Film geht jedoch von einem Mord im Auftrag der Stasi aus.
Was tun Frauen, die ein WM-Qualikationsspiel im Stadion verfolgen wollen, aber in einem Land leben, das Frauen diese Art der Unterhaltung untersagt? Eine Möglichkeit ist, sich als Mann zu verkleiden. In Jafar Panahis Film geht diese List nicht auf, und die Protagonistinnen erleben das Spiel am Rand des Stadions ohne Blick aufs Feld. Über diese Ungerechtigkeit, eine von vielen, die iranische Frauen erdulden, und die Strategien, trotzdem ein selbstbestimmtes Leben führen zu wollen, ergeben sich die Gespräche in der Komödie Offside. Der Regisseur unterliegt aktuell selbst politischen Repressionen und darf den Iran nicht verlassen.
Dokumentarfilm / TR 2016 / 74:00 min / OmU / Ersin Kana
Der Dokumentar lm Yesil Kırmızı handelt von der Fußballmannschaft Amedspor, die im Osten der Türkei in Diyarbakir spielt. Vor Jahren wechselte der Club seinen Namen ins Kurdische: Amedspor. Aufgrund dieser Namensänderung und durch die steigenden politischen Konflikte zwischen Türk_innen und Kurd_innen im Land sind die Spieler und der Klub rassistischen, faschistischen und diskriminierenden Aussagen und Handlungen ausgesetzt.
Dokumentarfilm / D 2014 / 29:00 min / OV / Sandra Schmidt, Robert Kempe und Jochen Leufgens
In der Extra-Ausgabe von „sport inside“ erinnern sich Opfer der Militärjunta an die WM von 1978. Miriam Lewin wurde gefoltert und vergewaltigt, die Fußball-WM erlebte sie im Geheimgefängnis. Durch ihr Zellenfenster hörte sie die Jubelschreie der Fußballfans auf den Straßen. Claudio Morresi, Ex-Fußballpro und bis 2014 Sportminister Argentiniens, war damals 16 Jahre alt. Das Eröffnungsspiel erlebte er im Stadion, sein Bruder war damals bereits seit zwei Jahren verschwunden. Auch der damalige Trainer der argentinischen Weltmeister-Mannschaft, César Luis Menotti, äußert sich zur Verquickung von Militärdiktatur und Fußball, die den Rahmen für den WM-Erfolg seiner Mannschaft bildete. Der Titelgewinn von 1978 spielt für die nationale Identität Argentiniens eine große Rolle – auf schmerzliche Weise verbindet und spaltet er das Land bis heute.
Der Filmemacher und sein Vater, ein Schiedsrichter, sehen sich gemeinsam ein rumänisches Ligaspiel von 1988 an, ein Jahr vor dem Sturz des neostalinistischen Diktators Nicolae Ceausescu. Wegen Schneefalls kann der TV-Zuschauer dem Spiel zwischen den rumänischen Mannschaften Dinamo und Steaua Bukarest kaum folgen, doch stößt das Spiel eine Art „Was-wäre-wenn-Gedankenspiel” zwischen Sohn und Vater an, der das Spiel damals gepfiffen hat.
Al doilea joc ist eine selbstreflexive Arbeit, in der es um die Beziehung des Regisseurs zu seinem Vater, dessen Geschichte, die Geschichte der sozialistischen Republik Rumänien und die historisch-politisch bedingte Berichterstattung über Fußball geht.
Das Gespräch während des 11mm Fußball Filmfestival zum Film “Les rebelles du foot” mit Dominik Schottner, Christian Schirmer, Thomas Fischer und Jens Kirschneck (c) Stefanie Fiebrig
Les rebelles du foot
Moderation Dominik Schottner im Gespräch mit:
Prof. Dr. Thomas Fischer, lehrt an der KU Eichstätt zu Lateinamerikastudien, u.a. zu Fußballkultur und Geschichte
Dokumentarfilm / F 2012 / 92:00 min / Englische Fassung / Gilles Perez und Gilles Rof
Wenn Fußballspieler politische Haltung zeigen: Der ehemalige Profispieler Eric Cantona stellt verschiedene Protagonisten vor, die sich gegen bestehende Systeme gewehrt und mögliche Konsequenzen für Beruf und Leben in Kauf genommen haben. Der von der Elfenbeinküste stammende Didier Drogba rief verfeindete Volksgruppen im ivorischen Bürgerkrieg zur Versöhnung auf. Der Chilene Carlos Caszely verweigerte dem Diktator Augusto Pinochet den Handschlag. Der Algerier Rachid Mekhlou gründete mit anderen Widerstandskämpfern die algerische Unabhängigkeitsbewegung FLN. Der jugoslawische Nationalspieler Predrag Pašić baute im umkämpften Sarajevo eine multi-ethnische Kinderfußballschule auf. Der Brasilianer Sócrates war einer der Initiatoren von „Demokratie von Corinthians“, die Menschen dazu bewegte, sich für mehr Demokratie einzusetzen.
Miriam Menzel, Ronny Blaschke und Dominik Schottner im Audio-Studio der KOOPERATIVE BERLIN (c) Katharina Frucht
In unserer letzten Folge blicken wir zurück auf die WM in Russland und betrachten das Politische im Fußball. Spielte das Politische in Russland keine Rolle oder haben wir nur den Eindruck, weil zu wenig und zu seicht berichtet wurde? Beginnend mit den Flitzer_innen beim WM-Finale sprechen wir über Russland, die perfekt organisierte WM und wie sich Journalist_innen, Medien, Akteur_innen und Fans verhalten haben. Außerdem blicken wir auf die Fifa-Frauen-WM in Frankreich 2019 und die Fifa-Männer-WM in Katar 2022.
Das Gespräch führten unsere drei Moderator_innen des “Fußball und Macht”-Podcasts: Ronny Blaschke, Miriam Menzel und Dominik Schottner.
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